Gesine Janssen , Deutschland lag hinter uns - Dr. Kretschmer Buchbeschreibung - Presse 2018
Eine Reise nach Lodz Projekt mit BBS II Emden, www.emden-lodz.de
Stolpersteine auf der Homepage der Stadt Emden, www.emden.de
Gesine Janssen , Deutschland lag hinter uns - Dr. Kretschmer Buchbeschreibung - Presse 2018
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Biographie
Geboren am 7. Februar 1920 in Emden, in der Mühlenstraße 44, als drittes der fünf Kinder von Moritz Windmüller und Jette Seligmann. Genannt nach Max, dem Bruder des Vaters, der 1915 im Ersten Weltkrieg fiel, im Glauben an sein deutsches Vaterland.
Die Vorfahren waren seit über 200 Jahren in Deutschland. Die Familie lebte bescheiden von der Arbeit des Vaters als Schlachter und Viehhändler. Sie achteten die Regeln der jüdischen Religion. Max hatte eine frohe Kindheit. Sein Mitschüler, Jakob Leufgen, erzählte von einer „Bande von Jungen“, die viel Schabernack angestellt hat. Vom 6. bis zum 13. Lebensjahr besuchte er die Jüdische Volksschule in der Judenstraße, nahe der Synagoge. Seine Lehrer waren Julius Gottschalk und Seligmann Hirschberg – beide wurden mit ihren Familien 1944 in Auschwitz getötet.
Ende März 1933, kurz nach der Machtübernahme, organisierten die Nationalsozialisten den ersten Boykott aller jüdischen Geschäfte in Emden. Ein SA-Trupp zog vor Windmüllers Wohnung in der Graf-Ulrich-Straße. SA, das war die Abkürzung für Sturmabteilung. Die Mutter fragte: „Was wollen Sie?“ – Die barsche Antwort: „Die Gewerbe-Erlaubnis Ihres Mannes!“ Der Familie war nun klar: Unter deutschen Landsleuten können wir nicht überleben.
Die Familie flieht mit Hilfe von Verwandten nach Groningen. Sie überleben unter großen Mühen. Alle versuchen, zum Lebensunterhalt beizutragen. Max fährt mit dem Fahrrad Brötchen aus. Er bleibt lebensfroh. Steptanzend, pfeifend und singend poltert er durchs Haus. Er übt sich im Laienschauspiel, singt im Chor, spielt Mundharmonika und lässt sich bayrisches Jodeln beibringen.
Sein Bruder Isaak leitet die Gruppe der Groninger Jugend-Alija, die junge Juden zur Auswanderung nach Palästina vorbereitet. Auch Max geht für zwei Jahre in eine Ausbildung als Landwirt. 1939 holen Freunde ihn von einem Auswandererschiff zurück; er soll bleiben und in der Organisation der Alija mitarbeiten. – Das ist die Wende in seinem Leben! Es kommen nun viele Flüchtlinge in die Niederlande. Im Heim der Jugend-Alija in Loosdrecht lernt Max seine spätere Verlobte Metta Lande aus Wien kennen.
1940 besetzen die Deutschen die Niederlande. 1941 beginnen Deportationen nach Mauthausen. 1942 gehen Massentransporte über das Durchgangslager Westerbork nach Auschwitz. Dort enden auch die Mutter von Max, sein Bruder Simon und dessen Frau Ruth mit ihrem Baby Maurice.
Eine holländische Widerstandsgruppe, geleitet von Joop Westerweel, versteckt Juden und versorgt sie. Max schließt sich an, bis er im August 1943 gefasst und nach Westerbork gebracht wird. Er flieht in einem Wäschewagen und taucht unter. Seine gefälschten Papiere lauten auf Cornelius Andringa; die Freunde nennen ihn Cor. So kann er als Holländer unerkannt wohnen, reisen und Arbeit finden. Er wird Anwerber und Transportführer bei der Organisation Todt, die militärische Anlagen baut. Er wohnt nun in Paris, fährt zwischen Frankreich, Belgien und Holland hin und her und schleust untergetauchte Juden zur Arbeit auf die Baustellen. Jüdische Frauen, die wegen ihrer Deutschkenntnisse Arbeit in Büros der SS finden, organisieren Formulare und Stempel für Reisepapiere und Ausweise. Von Februar bis Juli 1944 kann Max sogar unter dem Namen Aart van Norden mit einem Dienstausweis des SS-Sicherheitsdienstes reisen; alle Dienststellen müssen ihn nun unterstützen.
Es entsteht ein Netzwerk unter den bedrohten Juden, mit Helfern in der französischen Résistance und bei spanischen Antifaschisten. Die Freunde im Widerstand staunen über die Intelligenz, die unverfrorene Chuzpe, mit der Max und seine Gefährten agieren, wie sie mit besten Papieren ausgestattet reisen, alle Privilegien in Anspruch nehmen, die Kommandanturen der Wehrmacht aufsuchen, um sich Marschbefehle und Lebensmittelkarten ausstellen zu lassen. In den Zügen weiß Max für seine Schützlinge zu sorgen; man gehört doch zur Wehrmacht mit Anspruch auf Fahrkarten, Proviant und Hotelgutscheine. Ist die Stimmung gedrückt, spielt Max auf der Mundharmonika ein Lied aus der jüdischen Jugendbewegung oder deutsche Soldatenlieder – immer in der Gefahr, gefangen, gefoltert, getötet zu werden – wie sein Freund Joachim Simon, der sich unter der Folter das Leben genommen hatte.
Es gelingt ihm, etwa 100 junge Juden von Baustellen in Frankreich auf 2.000 Meter hohen Passwegen der Pyrenäen nach Spanien in die Freiheit zu schleusen, auch seinen Bruder Emil – mal sind auch französische Juden und abgeschossene englische Piloten dabei. Es ist unbeschreiblich, wie das im Wahnsinn des Krieges gelingen kann – vielleicht gerade wegen des Chaos, das ja teilweise gut organisiert ist. Aber viele Vorhaben enden unglücklich. So wird Max’ Freund Adrian von deutschen Grenztruppen erschossen. – Über misslungene Fluchten erfuhr man meistens nichts, weil alle Beteiligten dabei umkamen.
Am 6. Juni 1944 landen die Alliierten in der Normandie. Am 18. Juli treffen sich führende Mitglieder des jüdischen Widerstands in Paris. Sie werden verraten und alle verhaftet – auch Max. Nur durch Zufall bleibt Metta Lande verschont. Alle Gefangenen kommen ins Gefängnis nach Drancy; sie werden gefoltert. Sie erfahren noch von dem gescheiterten Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944. Am 17. August werden 51 Gefangene in dem so genannten letzten Waggon nach Deutschland gebracht. 21 von ihnen können unterwegs fliehen, Max nicht. Am 25. August kommen sie im Konzentrationslager Buchenwald an. Vom 16. September 1944 bis zum 7. März 1945 schuften er und 651 Mithäftlinge in einer Rüstungsfabrik in Bochum. Zurück in Buchenwald, wird Max am 10. April mit 4.480 Häftlingen in offenen Waggons ins Lager Flossenbürg gebracht. Einen Tag später befreien amerikanische Soldaten Buchenwald – zu spät für Max, der am 19. April mit 14.000 Häftlingen auf den Todesmarsch von Flossenbürg nach Dachau geschickt wird. Max ist schwerkrank, abgemagert, und er fiebert. Häftlinge, die nicht weiterlaufen können, werden erschossen. Bei Winklarn in der Oberpfalz hockt Max sich auf die Knie, um aus einer Pfütze zu trinken. Er kann nicht mehr aufstehen. Der Schuss trifft ihn von hinten. Er ist sofort tot. – Es ist Samstag, der 21. April 1945. Paul Wolf, ein Freund aus dem Widerstand, ist bei ihm.
Max Windmüller wurde geehrt
– mit der Medaille der Résistance Francaise,
– im französischen und niederländischen Gedenkraum in Yad Vashem,
– im Gedächtniswald Westerweel bei Haifa,
– im Museum der Ghetto-Kämpfer Beit Lochamei ha Ghettaot,
– im Virginia Holocaust Museum Illinois, USA
– im Bunkermuseum Emden.
Am 8. November 1998 benannte die Stadt Emden eine Straße nach Max Windmüller. Sie hieß von 1571 bis 1933 Judenstraße. Dann machten die Nazis daraus die Webergildestraße. 1998 sprach sich in einem Bürgergespräch von den Bewohnern der Straße nur einer für die Benennung nach Max Windmüller aus. Der Rat der Stadt Emden beschloss dann aber ohne Gegenstimmen, die Straße nach einem der bedeutendsten Menschen der Emder Stadtgeschichte zu benennen. Seine humanen Ideale sind für die Mitglieder der Max Windmüllergesellschaft Leitbild und Verpflichtung.
Der Text wurde erarbeitet nach der Recherche „Max Windmüller, genannt Cor – ein Retter im gewaltfreien Widerstand, 1920–1945“ von Klaus Meyer van Dettum.